Orkan aus Gefühlen: Borderline-Betroffene besser verstehen

Eine Frau schaut aus einem Fenster
© Julian Stratenschulte/dpa/dpa-tmn

Psychische Erkrankung

Bad Saulgau (dpa/tmn) - Von einem auf den anderen Moment braut sich ein Orkan aus extremen Gefühlen zusammen, der einen mitreißt: Das ist Alltag für Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. 

Emotionen schlagen mitunter blitzartig um, dazu kommt ein hohes Level an innerer Anspannung. «Typisch sind die starke Angst vor dem Verlassenwerden, Selbstverletzungen oder riskantes Verhalten wie beispielsweise Rasen auf der Autobahn», beschreibt die Psychotherapeutin Prof. Petra Beschoner.

Männer und Frauen zeigen dabei mitunter unterschiedliche Symptome:

  • Frauen tendieren eher zu Selbstverletzungen. Bei ihnen stehen oft die emotionale Instabilität und konfliktreiche Beziehungen im Vordergrund.
  • Männer mit Borderline richten ihr Verhalten tendenziell eher nach außen, was sich in Aggressionen, Drogenkonsum oder Raserei ausdrücken kann. 

Wie eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entsteht:

Auf eine einzige Ursache lässt sich eine Borderline-Persönlichkeitsstörung meist nicht zurückführen. Neben der Genetik spielen auch biografische Erfahrungen und Umweltbedingungen eine Rolle. «Traumatische Erlebnisse, Missbrauch, Vernachlässigung oder fehlende Bindungen in der Kindheit verstärken das Risiko erheblich», so Petra Beschoner. 

Klar ist: Das Gehirn von Borderline-Betroffenen arbeitet anders als das gesunder Menschen. 

  • Die Amygdala ist aktiver. In diesem Bereich passiert die Verarbeitung von Emotionen.
  • Der präfrontale Kortex ist beeinträchtigt. Er ist unter anderem für die Impulskontrolle zuständig. 

So lässt sich das Gehirn von Borderline-Betroffenen mit einem hochempfindlichen Alarmsystem vergleichen, das Gefühle schnell und heftig ausschlagen lässt. 

Wie das Umfeld mit den Stimmungsschwankungen umgehen kann:

Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung wirkt sich auch auf zwischenmenschliche Beziehungen aus. Denn mitunter sehnen sich Menschen mit Borderline in einem Moment nach Nähe und idealisieren ihr Gegenüber, stoßen es kurz danach aber zurück. 

Petra Beschoners Rat: «Partner und Angehörige sollten versuchen, wie ein Fels in der Brandung zu sein – ruhig, klar und stabil.» Auch wenn es schwerfällt, sollten sie emotionale Ausbrüche nicht persönlich nehmen, sondern sich klarmachen: Dahinter steckt eine Erkrankung. Außerdem rät die Expertin dazu, die Gefühle der Person mit Borderline nicht kleinzureden, sondern sie anzuerkennen und Verständnis zu zeigen.

Wichtig für nahestehende Menschen ist aber auch, auf die eigene Gesundheit zu achten. Sie sollten also keine Scheu haben, Auszeiten, Selbsthilfegruppen und Therapieangebote in Anspruch zu nehmen. 

Wie sich Borderline behandeln lässt: 

Wie bei jeder anderen psychischen Erkrankung gilt auch hier: Familie und Freude können zwar unterstützen, professionelle Hilfe können sie aber nicht ersetzen. 

Es gibt Strategien, um besser mit dem Orkan aus Gefühlen zu leben. «Am wirksamsten sind Therapien, die gezielt den Umgang mit Gefühlen und Beziehungen trainieren», so Beschoner. Ein Beispiel dafür sind die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT): Das ist eine Form der Verhaltenstherapie, bei der Betroffene lernen, Emotionen zu regulieren und Krisen ohne Selbstverletzung zu meistern. 

Während der Therapie können Medikamente als Stütze hilfreich sein. Mittel speziell gegen Borderline gibt es zwar nicht, einzelne Symptome wie Angst, Impulsivität und Depression lassen sich aber durch entsprechende Medikamente lindern.

Zur Person: Prof. Petra Beschoner ist Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau.

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